Kalimantan
Kalimantan
Flechttradition der Dayak-Frauen
Einkommensförderung für Frauen in ländlichen Gebieten in Nordkalimantan, Indonesien
Ein Projekt von mission21, Basel
Von Oktober 2009 bis Juni 2012 arbeitete ich zusammen mit dem Ethnologen Adrian Linder im Auftrag von mission 21 in Nordkalimantan als Beraterin für Kunsthandwerk im Programm der lokalen Partnerkirche. Diese Arbeit gab mir einen umfassenden Einblick in die reiche Flechttradition der Dayak-Frauen (Kenyah, Punan, Lundayeh, Agabag und verwandte Gruppen).
Zwei Regionen im Distrikt Nunukan kristallisierten sich zunächst als Schwerpunktregionen heraus:
• Das Berggebiet Krayan im Grenzgebiet zu Sarawak, Malaysia (Lundayeh/Putuk/Lengilu, Kelabit-Sprachruppe)
• Die Flussgebiete Sembakung und Lumbis in der Grenzregion zu Sabah, Malaysia (Agabag/Tengalan, Tidung-Murut-Kontinuum, sprachliche Zugehörigkeit noch nicht definitiv geklärt). ¹
In den Randgebieten von Ost- und Nordkalimantan, im Grenzland zu Sarawak und Sabah, sind die meisten Frauen Wechselfeld-Bäuerinnen und traditionellerweise noch immer Flechterinnen von reich dekorierten Matten, Körben und anderen Objekten. Sie flechten mit Naturmaterialien, meist Rattan und Bambus aus den umliegenden Wäldern, wo es diese noch gibt. Sie flechten für den Eigengebrauch, zur Verwendung im Heiratsgaben-Zyklus, für Toten- und andere Feste, zum Tauschen und neuerdings auch zum Verkauf, wenn es einen Markt dafür gibt. Neben ihren vielen alltäglichen Arbeiten finden sie nur beschränkt Zeit zum Flechten. Unser Programm mit Trainings zur Verbesserung und Entwicklung neuer Produkte und die Vermarktung mit Absatzmöglichkeiten auf einem internationalen Markt waren sehr willkommen. Eigenes Geld bedeutet, dass die Frauen sich Wünsche erfüllen, bei der Ausbildung ihrer Kinder mithelfen können, und nicht zuletzt erleben sie mehr Wertschätzung von Seiten ihrer Männer. Die Wertschätzung der Flechtkunst stärkt das Bewusstsein für den Material-Reichtum der Wälder und die Notwendigkeit sie zu schützen.
Ich habe mich sehr gefreut, recht unerwartet Zeuge einer noch lebendigen, bisher praktisch unbekannten Kunsthandwerktradition² zu werden. Ohne stützende Massnahmen wird diese in absehbarer Zeit verschwinden. Besonders die reiche Flechtkunst-Tradition der Agabag-Frauen im Dorf Tanjung Langsat und weiteren Dörfern am Sembakung-Fluss hat mich nachhaltig beeindruckt und wurde zum Hauptschwerpunkt in der zweiten Hälfte meines Aufenthalts. Eine ansehnliche Auswahl typischer Produkte wurde vom Basler Museum der Kulturen bestellt und angekauft. Die Herstellung der wichtigsten Produkte wurde in sämtlichen Phasen detailliert mit Film und Fotografien dokumentiert, beginnend mit der Rohstoffbeschaffung im Wald, die hier – mittlerweile eine Seltenheit - noch von den Frauen selbst kontrolliert wird. Hinzu kommt umfangreiches Bild- und Filmmaterial zum sozio-kulturellen Kontext und Alltagsleben der Flechterinnen sowie eine Reihe Interviews mit Flechterinnen, mit deren Übersetzung ich zurzeit beschäftigt bin.
In Tanjung Lapang, etwas ausserhalb von Malinau betrieben wir den kleinen Laden „Dayak Handicraft Collection“. Er diente der lokalen Bevölkerung, Bauern und Bäuerinnen sowie auch Regierungsleuten und Mitarbeitern von NGO’s um Geschenke aber auch um das Notwendige zur Feldarbeit zu finden. Obwohl er klein war hatte er eine grosse Ausstrahlung. Wir waren die Einzigen weit und breit mit Flechtprodukten und das sprach sich bald herum. Wir konnten an nationalen Ausstellungen teilnehmen und wurden 2011 an ein internationales Wald-Symposium nach Brunei eingeladen.
1 Für beide Regionen vgl. Schneeberger, W. F. 1979: Contributions to the ethnology of central northeast Borneo: Parts of Kalimantan, Sarawak, and Sabah (Studia Ethnologica Bernensia, No. 2). Bern: Ethnologisches Seminar der Universität Bern (orig. MS 1939)
2 Bisher einzige wissenschaftliche Publikation ist Sellato, Bernard 2012: Tidung and Tingalan Mats of Northeastern Kalimantan. In: Sellato, Bernard (ed.): Plaited Arts from the Borneo Rainforest. Copenhagen, NIAS Press (NIAS Studies in Asian Topics # 48): 378 – 387
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